Es war einmal ein Igel, der lebte in einem Garten
der zu einem Haus gehörte. Die Menschen, die in dem Haus wohnten,
mochten den Igel, denn er fraß besonders gerne Schnecken, die
sich über ihren Salat hermachen wollten.
Eines nachts war der Igel mal wieder auf Schneckenjagd. Gerade als er
wieder eine Schnecke packen wollte, hörte er plötzlich eine
Stimme: „Bitte friss mich nicht! Ich bin in Wirklichkeit keine
Schnecke“.
Nanu, dachte der Igel. Eine sprechende Schnecke! So was hatte er ja
noch nie erlebt. Der Igel wunderte sich sehr. Er fragte: „Wenn Du keine
Schnecke bist, was bist Du denn dann?“
Die Schnecke antwortete: „Ich bin die Tochter des Zauberkönigs.
Ein mächtiger, böser Zauberer hat mich ins Menschenreich
verbannt
und in eine Schnecke verwandelt. Ich kann nur zurück, wenn mich
ein
Menschenkind ganz lieb hat und mit mir kuschelt.“
Dem Igel tat die Königstochter sehr leid. Er glaubte ihr, denn
noch nie zuvor hatte er von einer sprechenden Schnecke gehört. In
dem Garten in dem er lebte, hatte er viele Möglichkeiten, die
Menschen, die dort und im Haus lebten zu beobachten. Daher sagte er:
„Weißt Du, hier
in diesem Haus wohnt eine Menschenfamilie mit zwei Kindern. Ich habe
sie
oft beobachtet, und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass eines der
Kinder
jemals mit einer schleimigen Schnecke kuscheln würde.“
Die Zauberschnecke fing an zu weinen. Der Igel wurde etwas verlegen und
sagte: „Menschenkinder kuscheln nun mal am liebsten mit ihren
Stofftieren. Die sind schön weich und warm. Wenn Du zum Beispiel
eine Stoffschnecke wärst, dann würden die Kinder vielleicht
schon mit Dir kuscheln.“
Hoffnungsvoll sah die Zauberschnecke den Igel an. „Meinst Du, das
würden sie tun? Meine Zauberkräfte reichen nicht um mich
zurückzuverwandeln, aber mich in eine andere Schnecke zu
verzaubern, dass müsste gehen. Auch wenn es eine Stoffschnecke
ist.“ Sogleich versuchte Sie es. Sie sagte einen Zauberspruch auf und
Schwups, hatte sie sich in eine graue Stoffschnecke verwandelt.
„Schon besser“ sagte der Igel. „Auch wenn grau nicht gerade eine
Lieblingsfarbe von Kindern ist. Aber, liebe Königstochter, hier im
Gemüsebeet werden Dich die Kinder kaum finden. Und was Erwachsene
mit Dir machen werden, wenn Du vielleicht zwei oder drei Tage im nassen
Beet gelegen hast und ganz durchweicht bist, dass kann man nur schwer
vorhersagen.“
Die Schnecke verwandelte sich wieder zurück. „Was würdest Du
mir den raten?“ fragte sie. „Oh bitte hilf mir, edler Igel“.
Der Igel überlegte nicht lange. Er sagte: „Zum einen solltest Du
Dich auf die Terrasse begeben und Dich ganz dicht vor die Glastüre
legen. Dann sehen Dich die Kinder vielleicht zu erst. Und wenn Sie Dich
erst einmal haben, werden Sie Dich sicher nicht mehr hergeben wollen –
jedenfalls nicht wenn Du ihnen gefällst.“
Die Schnecke fragte: „Was kann ich den tun, damit ich Ihnen gefalle?“
Der Igel antwortete: „Kleine Mädchen mögen zum Beispiel gerne
rosa, oder Sachen die glitzern. Und schön kuschelig solltest Du
natürlich sein.“
Die Schnecke bedankte sich vielmals beim Igel für seine Hilfe.
Dann begab sie sich auf den langen Weg zur Terrasse. Es dauerte mehrere
Stunden, bis sie die ganze Strecke gekrochen war. Aber kurz vor
Sonnenaufgang hatte sie es geschafft. Sie war direkt vor der
Glastüre angekommen. Noch
einmal sagte sie einen Zauberspruch auf und verwandelte sich. Diesmal
in
eine rosafarbene Stoffschnecke mit blauen Augen und glitzernden
Fühlern.
An ihrem Schneckenhaus hatte Sie dazu noch ein paar hellgrüne
Stellen
und rote Linien. Nun wartete Sie und hoffte, dass die Kinder, die hier
wohnten
Sie finden würden.
Am nächsten Morgen hüpfte eines der Mädchen durch
das Wohnzimmer. „Komm jetzt bitte endlich frühstücken“ sagte
ihr Vater. „Der Kindergarten fängt gleich an.“ Das Mädchen
wollte
schon gehen, als es zufällig noch einmal auf die Terrasse schaute.
„Papa, schau mal was da draußen liegt!“
„Was denn?“ fragte der Vater zurück.
„Eine Schnecke“ rief das Mädchen.
„Igitt“ sagte der Vater.
„Nein“ sagte das Mädchen. „Keine richtige Schnecke. Eine aus
Stoff.“
Der Vater kam herbei um selber nachzuschauen. „Das ist ja
merkwürdig.“ sagte er. „Wo die wohl plötzlich herkommt? Die
hat doch gestern abend noch nicht da gelegen.“ Er öffnete die
Terrassentür und nahm
die Schnecke vorsichtig hoch.
„Oh sieht die süß aus“ sagte das
Mädchen. „Darf ich die haben? Bitte bitte!“
Der Zauberschnecke hüpfte vor Freude das Herz! Sie gefiel dem
Mädchen! Wenn der Vater sie doch nur hergeben würde!
Der aber sagte: „Na ich weiß nicht. Ich würde ja doch gerne
wissen, wo die herkommt. Jetzt frühstücken wir erst mal und
Du gehst in den Kindergarten. Und dann sehen wir weiter. Vielleicht
gehört Sie ja einem von den Nachbarskindern.“
Die Nachbarn wurden befragt, aber niemand hatte die Schnecke zuvor
gesehen. „Die Schnecke scheint tatsächlich niemandem hier zu
gehören“
sagte die Mutter des Mädchens als dieses aus dem Kindergarten
wieder
nach Hause kam. „Du kannst sie also behalten. Aber zuerst werden wir
sie
einmal gründlich waschen. Wer weiß, wo die vorher gewesen
ist.“
Eine Stunde später hing die Schnecke durchgewaschen und tropfnass
an
der Wäscheleine. „Au weia“ dachte sie bei sich. „Hoffentlich lohnt
sich
dass alles. Hoffentlich erfährt niemand im Zauberreich davon, dass
ich
hier patschnass im Wäschekeller hänge.“ Alle halbe Stunde kam
das
Mädchen vorbei um nachzusehen, ob sie schon trocken war.
„Mama“ hörte die Zauberschnecke das Mädchen fragen. „Darf ich
die Schnecke zum Einschlafen mit ins Bett nehmen?“ Wieder machte das
Herz der Zauberschnecke einen Hüpfer. Fast hätte sie vor
Freude gejauchzt. Aber sie wollte das Mädchen ja keinesfalls
erschrecken und war deshalb ganz still. „Von mir aus“ antwortete die
Mutter. „Aber nur wenn sie trocken ist.“
„Oh“ dachte die Schnecke. „Von alleine wird das aber knapp bis heute
Abend.“ Als sie alleine war sagte sie einen Zauberspruch auf und war
kurz
darauf ganz und gar getrocknet.
„Hurra“ rief das Mädchen, als es das nächste mal nachsah.
„Ganz trocken“.
„Das ging aber schnell“ wunderten sich die Eltern. „Na, dann nimm sie
mal gleich mit hoch. Es ist sowieso Schlafenszeit“.
Eine halbe Stunde später lag das Mädchen im Bett, ihr neues
Kuscheltier mit anderen zusammen fest im Arm, und schlief ein. Schon
merkte die Zauberschnecke, dass der böse Zauber von ihr wich, dass
sie die Kraft erhielt, die sie brauchte um in das Zauberreich
zurückzukehren. Sie blieb aber noch eine ganze Weile bei dem
Mädchen liegen, da sie es sehr liebgewonnen hatte. Sie wollte sich
gar nicht vorstellen, wie traurig das Mädchen sein würde,
wenn es am nächsten Morgen aufwachte und die neue Stoffschnecke
verschwunden wäre. Plötzlich kam ihr eine Idee, die sie
sofort in die Tat umsetze.
Zuerst kehrte sie heim ins Zauberreich. Dort angekommen waren der
Zauberkönig und die Zauberkönigin überglücklich,
dass ihre Tochter wieder wohlbehalten zu Hause war, denn sie hatten
sich große Sorgen gemacht. Schnell erzählte sie in kurzen
Worten ihre Geschichte und bat Ihren mächtigen Vater um einen
Gefallen. „Kannst Du bitte dem Mädchen, das mich gerettet hat eine
Stoffschnecke schicken, die genau so aussieht, wie ich ausgesehen habe?
Ich möchte nicht, dass sie traurig ist, wenn sie am Morgen
aufwacht und ich nicht mehr da bin.“ Sofort willigte der
Zauberkönig ein und erfüllte den Herzenswunsch seiner
Tochter.
Dann aber sprach er „Den bösen Zauberer aber der Dir das angetan
hat, der soll nun seinen eigenen Fluch ertragen. Er soll als Schnecke
im Menschenland leben. Aber er ist ein schlauer, gemeiner Kerl. Damit
er sich nicht herausreden kann soll er nicht sprechen können.“ Und
so versetzte der Zauberkönig den gemeinen Schurken als schleimige
Schnecke genau in den Garten, in dem der Igel den wir schon kennen auf
der Schneckenjagd war.
Das Menschenmädchen aber hatte noch viele Jahre Freude mit seinem
neuen Kuscheltier.
ENDE